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Den Fun aufs Bild

Den Fun aufs Bild

gebracht Grant Gunderson
Text
Claude Hervé-Bazin
Copyright
Grant Gunderson
Erscheinungstermin
10.03.2017

Wer könnte die Quintessenz der Berge besser erfassen als ein Skifahrer? Grant Gunderson drückt nicht einfach nur auf den Auslöser. Er setzt sich intensiv mit seinem Sujet auseinander und kennt die Welt vor seiner Linse aus dem Effeff. Auch das macht ihn wohl zu einem der besten Outdoor-Fotografen Amerikas.

Wenn er nicht gerade in einem Flugzeug sitzt, findet man ihn auf den weissen Hängen und Gletschern des Mount Baker. Dieser 3285 Meter hohe Vulkan im US-Bundesstaat Washington bildet die nördlichste Stelle der Kaskadenkette. Er ist jeden Winter von einer dicken Schnee- und Eisschicht bedeckt und hat sich im Lauf der Jahre zu einem Hotspot für Freerider entwickelt.

Blicken wir zurück auf die Jahre 1998/99. „Es war meine erste Saison auf dem Baker und, believe it or not, sie ist mit einem Weltrekord zu Ende gegangen. Ganze 29 Meter Schnee lagen auf dem Berg! Fatski gab es noch keine und wir waren nur sehr wenige auf diesem Riesenberg“, erzählt Grant.

Er fuhr schon seit mehreren Jahren mit Schulfreunden Ski, wann immer er eine freie Minute fand. Manche hatten eine Kamera dabei, um ihre Tricks aufzunehmen. Grant schleppte die alte Pentax seines Vaters mit. Er habe das beste Gespür für gute Bilder, bezeugten ihm seine Kumpel schon damals. An der Uni, wo er Kunststofftechnologien studierte, fing er an, von einer Karriere als Fotograf zu träumen. „Ich habe mit Snowboardern der Region ein Shooting gemacht und konnte zwei Fotos verkaufen. Von da an war ich süchtig.“ Er brachte sein Studium, das er mit dem Verkauf seiner Fotos finanzierte, dennoch zu Ende, ergriff aber jede Gelegenheit, um Ski oder Velo zu fahren.

Berufsrisiken

Weniger als zwei Jahrzehnte später klassiert sich Grant an den wichtigsten Fotowettbewerben der Welt (unter anderem auch am Red Bull Illume) regelmässig unter den Top 10 und veranstaltet weltweit Shootings. Grant sei ein echter Profi, er gehe ans Limit, um das perfekte Bild zu schiessen, sagen seine Kunden. Tatsächlich würde er alles machen, um die bestmögliche Aufnahme zu erzielen, „auch eine ganze Nacht lang stehend verbringen oder bei -40 °C 30 Kilo Material buckeln und 20 Kilometer weit schleppen. Man gewöhnt sich an alles“, so der Fotograf. „Ob das Vorhaben gelingt, hängt aber schlussendlich von den äusseren Bedingungen, das heisst dem Licht und dem Ort ab, und darauf habe ich keinen Einfluss.“

Manchmal scheinen sich die Elemente gegen ihn zu verschwören. 2013 zum Beispiel entlud ein gewaltiger Schneesturm bergeweise Neuschnee auf dem Mount Baker. „Es fielen sieben bis acht Zentimeter pro Stunde. Ich habe zwei meiner Canons verloren, aber die Bilder, die ich damals geschossen habe, schafften es auf das Titelblatt von über zehn Zeitschriften.“

Grant ist sich der Gefahren bewusst, denen er sich aussetzt. Er hat mit der Zeit gelernt, dass er manchmal zurückstecken muss und seine Pläne nicht auf Biegen und Brechen durchboxen sollte. Immer hält ihn dieses Bewusstsein aber nicht von seinen Zielen ab. Eine der grössten Gefahren sind Lawinen. Mit Schrecken erinnert sich der Amerikaner an ein prägendes Erlebnis: „Vor ein paar Jahren war ich mit dem französischen Freerider Richard Permin in Alaska und er wurde von einer Lawine erfasst. Als wir ihn erreichten, schaute nur sein Mund aus dem Schnee. Wir haben ihn ausgebuddelt, aber er war in einem miserablen Zustand, komplett groggy. Wir hatten unsägliche Angst um ihn. Zum Glück ist alles nochmal gut ausgegangen.“

200 Skitage pro Jahr

Spass an der Sache, das ist es wohl, was Grant Gunderson von anderenFotografen unterscheidet. Grant reist, Grant knipst, Grant ist mit Leib und Seele dabei, aber er verliert das Wichtigste nie aus den Augen: den Fun. Grinsend erklärt er, er sei 200 Tage im Jahr auf den Ski, überlegt dann kurz und korrigiert: „Seit ich im Sommer öfter hier in Baker und nicht mehr nur in Südamerika bin, vielleicht auch etwas weniger. Ich liebe es, im Winter Ski und im Sommer Velo zu fahren, und das jeden Tag.“

Wenn er so intensiv Sport treibt, ist das auch für seinen Beruf von Vorteil. Er sei überzeugt, dass man nur ein guter Outdoorsport-Fotograf sein könne, wenn man die Sportarten selbst ausübe. „Ich will die Leute mit meinen Bildern dazu bringen, nach draussen zu gehen, Ski oder Velo zu fahren und zu wandern“, sagt er. Sie sollen er-leben und das Leben nicht einfach verstreichen lassen.“

Grant ist gerade erst aus Japan, einem seiner Lieblingsländer, zurück und plant schon seinen nächsten Trip. Der soll ihn in die Schweiz führen. Er hatte im Sommer 2015 in Verbier eine Biketour unternommen und war so angetan von der Region, dass er diesen Winter dort skifahren will. Zermatt und Andermatt kennt er schon, aber das reicht ihm nicht. „Das Schönste an meinem Job sind die Orte, die ich dabei entdecke und die coolen Leute, die ich treffe“, meint er voller Vorfreude.

www.grantgunderson.com