Portfolio

Ben Thouard

Ben Thouard

Mann des Meeres
Text
Claude Hervé-Bazin
Copyright
Ben Thouard
Erscheinungstermin
16.05.2018

Er sei Meeresfotograf, sagt Ben Thouard, wenn er nach seinem Beruf gefragt wird. Eine nicht alltägliche Tätigkeit, die er auf, aber auch unter Wasser ausübt. Meistens ist er mit seiner Kamera in Tahiti unterwegs. Dort sucht er den Kontakt mit der legendären Welle Teahupoo und schiesst ohne Sauerstoff tauchend Bilder, die seinem Staunen vor der Kraft und der Schönheit der Ozeane Ausdruck verleihen. Ben ist ein Fisch und ein Künstler. Er liefert uns seine Weltsicht im poetischen Bildband «Surface».

Als Kind verbrachte Ben Thouard die Sommermonate auf dem Segelboot seines Vaters. Eigentlich sollte die Reise nach Korsika gehen, doch im Grunde genommen war stets der Weg das Ziel. Während die meisten von einem Stück Land zum nächsten segeln und sich oft mit mulmigem Gefühl an die Überfahrten wagen, liessen Ben und sein Vater die Wochen auf offenem Meer vorbeirieseln und genossen die Einsamkeit mitten im Nirgendwo. Der kleine Junge entwickelte eine innige Beziehung zum Ozean. Seither ist das Meer sein Zuhause. Es erfüllt ihn mit innerer Ruhe und Glück.

Mit acht Jahren entdeckte Ben das Surfen und verbrachte fortan jede freie Minute auf dem Brett. Wenn immer möglich tauschte er den Strand von Toulon gegen Tubes in Hawaii. Mehrere Jahre feilte er an seinem Talent als Wellenreiter und Fotograf. Er bereiste die Welt, stürzte sich an den unterschiedlichsten Spots ins Wasser, suchte verlassene Inselgruppen auf und surfte einsame Breaks. Er war in Timor, Madagaskar, Indonesien, Mikronesien und Mosambik. Für Ben Thouard ist die Welt ein Ozean. 2007 verliebte er sich Hals über Kopf in Teahupoo, das Hauptquartier der Maohi-Surfer. Er liess sich ganz in der Nähe nieder und lichtet seither das Meer vor seiner Haustür in begeisternden Aufnahmen ab.

Ein Künstler taucht auf
Zehn Jahre schon surft Ben auf den Wellen. Er mustert, überdenkt und bändigt sie. Aus diesen langen Jahren ständiger Fortschritte und Überlegungen ist ein grossartiger Bildband entstanden. Surface, zu Deutsch Oberfläche, ist eine Liebeserklärung an das Meer, an den Zwischenraum zwischen zwei Welten, wo Luft und Wasser aufeinandertreffen. „Wellen sind nur eine Verformung der Oberfläche“, sagt er. „Ihr Zusammenspiel mit dem Licht ist faszinierend und verändert sich ständig. Ich fotografiere tagelang ohne Sauerstoffflasche, um durch das Wasser das festzuhalten, was auf der anderen Seite des Spiegels geschieht.“ In diesen Momenten fühlt sich Ben Thouard erfüllt, so wie früher, als er als Kind im Mittelmeer tauchte.

Fast schleichend nimmt der Ozean in seinen Bildern im Verhältnis zu den Surfern immer mehr Platz ein. Er ist nicht mehr nur Kulisse, sondern Schauplatz und sogar Akteur, gibt seine Launen preis, ist einmal friedlich, dann abwartend und plötzlich kampfeslustig und aufbrausend. Es spielt mit den Menschen, toleriert sie, schluckt sie und spuckt sie wieder aus. Ben nimmt den Ozean aus den unmöglichsten und ungewöhnlichsten Winkeln auf. Er offenbart dabei eine verkehrte Welt, einen Hexenkessel aus Wellen, die gewaltsam und laut krachend zerbersten, als würde am Himmel ein Gewitter niedergehen. 13 Jahre war Ben als Actionfotograf tätig, dabei entwickelte er eine innige, angstfreie Beziehung zum Wasser. Und er kehrte zu den Schwarz-Weiss-Fotografien aus seinen Anfängen zurück. Aus dem begnadeten Surffotografen ist ein Künstler geworden, der seine Bilder in limitierter Auflage verkauft und in renommierten Galerien ausstellt.

Tausend Klicks für ein Bild
Die Inspiration ist das eine, die Technik das andere. Was haben das Bild einer Wellenlippe, das mit 1/8000stel Sekunde Belichtungszeit aufgenommen wurde und auf dem jeder Wassertropfen gestochen scharf zu sehen ist, mit der Fotografie eines Surfers in einer Tube gemeinsam, bei dem die lange Belichtungszeit (1/5tel oder 1/10tel) einen Wischeffekt erzeugt? Erfahrung! Und die Tatsache, dass dahinter tausend Versuche stecken. „Es ist tatsächlich schon vorgekommen, dass ich tausend Bilder geschossen habe und nur ein gutes dabei herausgekommen ist“, sagt Ben. „Die Bedingungen sind schwierig, alles ist ständig in Bewegung und ich bin komplett vom Wetter abhängig. Ich verwende weder Flasche noch Schwimmhilfen, Flossen einmal ausgenommen. In den Wellen kann man gegen die Naturgewalt nichts ausrichten, man muss vorausdenken und sich richtig positionieren. Man muss den Ozean lesen können. Manchmal ist man überzeugt, das Bild des Jahres geschossen zu haben, bis man sieht, dass der Surfer einen Minitropfen auf das Objektiv gespritzt hat. Das ist nun mal das Los von Surffotografen. Wir verbringen viel Zeit im Wasser. Das ist anstrengend und braucht viel Geduld, macht die Bilder aber umso wertvoller.“

Ben Thouard verwendet keine Unterwasserkamera, sondern eine Canon EOS 1D X Mark II, die von einem wasserdichten Aquatech-Gehäuse geschützt wird. Und er setzt Objektive mit unterschiedlichsten Brennweiten ein. Am liebsten mag er 24 mm und 50 mm. 70/200-Objektive sind beim Schwimmen schwierig zu bedienen, machen aber Detailaufnahmen möglich. Mit dem Fish-Eye (14 mm) können die Surfer in der Tube abgelichtet werden, das 16-35 mm eignet sich gut für Unterwasseraufnahmen und auch das 600 mm kommt ab und zu zum Zug. Die Objektive vermitteln sehr unterschiedliche Eindrücke, erklärt Ben.

Sobald er den Auslöser betätigt hat, muss er seine Haut retten. In Teahupoo kann die Landung brutal sein, umso wichtiger ist es auch hier, dass er sich früh genug in Sicherheit bringt. Der Kontakt mit dem Riff ist schmerzhaft. Manchmal wird Ben von den Wellen bis in die Lagune geschleudert. Er nimmt es mit Humor: „Das gehört dazu und macht eigentlich auch Spass.“ Wenn sein Material aber plötzlich auf dem Meeresgrund liegt, ist ihm aber dann doch weniger zum Lachen zumute.

Damit der Ozean (über)lebt
Einige Bilder sehen so irreal aus, dass man sie für Montagen halten könnte. Sie sind aber echt. „Abgesehen vom Kontrast und der Farbtemperatur ändere ich nichts“, versichert Ben. Seine Leidenschaft, Beharrlichkeit und Ausdauer machen Kunstgriffe unnötig. Damit gelingen ihm einige magische Aufnahmen. Etwa 200’000 Bilder nimmt er pro Jahr auf.

Ben Thouard verfolgt mit seiner Arbeit nicht nur ein künstlerisches, sondern auch ein umweltschützerisches Anliegen: „In Tahiti zu leben ist eine Chance. In Teahupoo befindet man sich wirklich mitten in der Natur, weit weg von allem. Ich möchte dazu beitragen, diese einmalige Lebensqualität zu erhalten, die Leute zu sensibilisieren, dass die Ozeane dringend geschützt werden müssen. Unsere Generation muss ein Bewusstsein dafür entwickeln und handeln. Ich möchte meine Bilder verwenden, um die Aufmerksamkeit auf die Schönheit unserer Ozeane zu lenken und ihre Zukunft zu schützen. Wenn jemand wie ich es nicht tut, wer dann?“

www.benthouard.com