Portfolio

Alexandre Deschaumes

Alexandre Deschaumes

Naturfotografie als Therapie
Text
Laurent grabet
Copyright
Alexandre Deschaumes
Erscheinungstermin
17.10.2015

Die „ätherischen“ Bilder des 32-jährigen Franzosen zeigen die Natur in ihrer ganzen Erhabenheit, verraten aber gleichzeitig viel über seine gequälte Seele.

Bücher über Persönlichkeitsentwicklung verschlingen, Yoga praktizieren, sich auf das Sofa eines Psychologen legen oder im tiefen Amazonas dem Schamanismus frönen: All diese Wege hätte Alexandre Deschaumes gehen können, um die Schwermut, die ihn seit seiner Kindheit begleitet, zu überwinden. Der Franzose hat aber beschlossen, sich mit „kathartischem Fotografieren“ zu heilen. Wirklich wirksamer scheint diese Methode zwar nicht zu sein, dafür aber deutlich kreativer. „Die Fotografie hat mir geholfen zu überleben“, sagt Deschaumes.
Angefangen hat alles vor rund zehn Jahren, als es sich der damals aktiv praktizierende Death Black Metal Fan zur Gewohnheit machte, sich mit seinem Seelenschmerz und der Canon G2 seines Stiefvaters in den Wald zurückzuziehen und dort die „undefinierbaren Energien der Natur“ auf sich wirken zu lassen. „Dort konnte ich mein Leid lindern, das die Scheidung meiner Eltern und eine unmögliche einseitige Liebe in mir ausgelöst hatten.“ Der bekennende Autodidakt brachte Bilder von seinen Solotrips mit. Sie seien „nichts Wert, kitschig, überladen mit Farben und voller unbrauchbarer, völlig veralteter Effekte“, sagt der Fotograf heute. Im Internet ernteten seine Aufnahmen aber positive Kritik. Im Lauf der Jahre zog er sich immer häufiger in den Wald zurück. Oft folgte Deschaumes dabei einem inneren Drang. „Als ich als Briefträger arbeitete, meldete ich mich trotz schlechten Gewissens manchmal krank, um mit meiner Kamera in die Natur zu gehen.“
Eines Tages machte sich der Franzose, der „ständig auf der Suche nach träumerischen Stimmungen und mysteriösen oder sogar furchterregenden Lichtspielen war“, auf in die Berge. 2008 unternahm er ein Trekking ins französische Cerces-Gebirge. Dort schoss er an einem regnerischen Morgen ein flüchtiges Foto, „das alles ausgelöst hat“. Darauf sind ein blauer See und eine zerrissene Wolkendecke zu sehen, durch die ein paar zaghafte Sonnenstrahlen dringen. Seither konzentriert sich Alexandre stärker auf die Berge, wo er eine Verbundenheit mit der Quelle des Lebens und seiner inneren Welt spüre.
Der Franzose bietet auch Fotokurse und sogar Fotoreisen durch Island und Patagonien an und hat durch den Dokumentarfilm La quête de l’inspiration sogar eine gewisse Berühmtheit erlangt, dennoch hat er noch immer Mühe, von seiner Kunst zu leben. „Ich habe mich schon immer schwer getan, mich und meine ätherischen Fotos zu verkaufen. Obwohl sie manchmal doch Hoffnung ausstrahlen, scheinen sie nicht dafür gemacht, die Massen zu begeistern.“ Der Künstler spürt, dass er an einem Wendepunkt angelangt ist. Die Inspiration, die er in seinem Innersten spüren konnte, findet er in der nahen Umgebung seiner Wohnung in Bonneville kaum noch. Seine anstrengenden Bergtouren mit fünf bis zehn Kilo Fotomaterial im Rucksack haben in seinen Knien Spuren hinterlassen. Dann ist da wieder diese nur schwer identifizierbare „Krake“, die ihn von innen auffrisst und die weder die Fotografie noch die Natur so gut wie früher ausblenden können.
„Alexandres Aufnahmen sind mystisch und unter Tausenden erkennbar. Sie stehen im krassen Gegensatz zu den klischeehaften Bildern, die eingerahmt in gewissen Chalets hängen“, sagt Stefan Meyer, der die Werke des Fotografen in seiner Bieler Galerie ausgestellt hat. Er ist sicher: „Bald wird es schwierig sein, seine Fotos zu kaufen, denn dieser geheimnisvolle Künstler wird den Erfolg ernten, den er verdient.“


www.alexandredeschaumes.com