Washingtonmania

Text
Claude Hervé-Bazin
Erscheinungstermin
13.12.2018
Washingtonmania

Hinter Säulengängen aus weissem Marmor und den respektablen Fassaden pulsiert Washington mit unvermuteter Energie. Fern der Klischees einer faden, verrufenen Stadt, die Washington in den vergangenen Jahrzehnten anhafteten, ist die amerikanische Hauptstadt endgültig im 21. Jahrhundert angekommen. Heute gibt sie sich vornehm, lebendig und verblüffend anders.

Washington ist Sitz der Smithsonian Institution und die amerikanische Museumsstadt schlechthin. Die Institution allein besitzt 19 Museen und alle sind kostenlos. Für ihre Besichtigung sollte man mindestens eine Woche einplanen. Ein Vollzeitjob, zu dem ziemlich viele Überstunden kommen, schliesslich warten noch die Dollar-Druckplatten im Bureau of Engraving and Printing, wo man live zuschauen kann, wie die grünen Scheine entstehen, die Opiumpfeifen und das Crack House im Museum der Drug Enforcement Agency, die Gadgets im Spy Museum und die unzähligen Denkmäler an der Mall, die sich breit und schnurgerade durch den Stadtkern zieht. Zum Glück hat das von einem schrägen Vogel im Vorort Maryland eröffnete Museum of Menstruation seit geraumer Zeit geschlossen. Macht einen Punkt weniger auf der Liste.

Verherrlichend bis exzentrisch
Washington ist Amerika, seine Museen sind das Sprachrohr. Sie zeigen die Vereinigten Staaten von gestern, heute und morgen, mit allen Mängeln und Qualitäten, allen Ausschweifungen und unnachahmlichen Entwicklungen: die Postkutsche und das Batmobil im National Museum of American History, die XXL-Bomber und das Raumschiff Enterprise im Udvar-Hazy Center, den Hope-Diamanten, die Smaragde, Saphire, Nuggets sowie – ab nächsten Frühling – eine ganze Schar Dinosaurier im National Museum of Natural History. Im Zuge der politischen Korrektheit der beiden letzten Jahrzehnte wurden weitere Museen eröffnet: eines über die Indianer (grossartig!), eines über den Holocaust (aufwühlend!) und eines über die Afroamerikaner, das keine auch noch so grausamen Details der Sklaverei auslässt. Hier erkennt man Amerika: verrückt, aber mutig genug, in den Spiegel zu schauen.

Gespensterjagd und Büstenhalter
Auch wenn sich Amerika gemütlich in seiner Komfortzone eingerichtet hat, sein Jagdtrieb ist ihm nie abhandengekommen. Mit Donald Trump wurde er aus einem langen Winterschlaf geweckt. In Washington fährt der Boss auffällig – Diskretion ist nicht sein Ding – in seiner schwarzen Limousine durch die Strassen, eskortiert von zehn Autos und Motorrädern mit heulenden Sirenen. Hin und wieder wirft er jungen, knapp bekleideten Frauen einen Gruss zu, hinter dem eher Instinkt als politisches Kalkül steckt.
Amerika war schon immer etwas ausgefallen, um nicht zu sagen exzessiv. Wen erstaunt es da, dass im Kapitol noch immer nach Geistern gejagt wird? Im Keller des ehrwürdigen Gebäudes soll in der Gruft, in der Washington hätte beigesetzt werden sollen, eine unheimliche Katze namens Demon Cat ihr Unwesen treiben. Weitere Ghost Tours führen zum Tragedy Square (mit richtigem Namen Lafayette Park), wo das am schlimmsten heimgesuchte Spukhaus Octagon steht, und zur Treppe des Exorzisten im alten, höchst reizvollen Backsteinviertel Georgetown – an Halloween ein Muss!
Im Palisades Park, an den bewaldeten Ufern des Potomac, zeigt das Blair Witch Project auf seine eigene Art den ganz normalen Wahnsinn. Dort hängen an den winternackten Ästen furchteinflössende Mobiles, Vodoo-Puppen und Nightmare Catchers (als Abwechslung zu den als Dream Catchers bekannten Traumfängern). Die Damen werden gebeten, als Opfergabe einen ihrer BHs am Bra Tree aufzuhängen. Diese typisch amerikanische Tradition soll in den Skiorten rund um Aspen entstanden sein.

A season to be jolly
Auf den schwülheissen Sommer folgt in Washington ein angenehmer Herbst. Der November läutet den Winter ein, der sich im Dezember mit kalten Temperaturen und den ersten Schneeflocken zurückmeldet.
Washington ist weder Minneapolis noch Chicago. Man hat nicht das Gefühl, zu einem Eiszapfen zu erstarren, kann aber hoffen, grosse, dicke Schneemänner zu bauen und Schlittschuh zu laufen. Besonders empfehlenswert: der Brunnen des Washington Harbour in Georgetown, wo die Einheimischen jeweils am Samstagabend ihre Pirouetten zu Rockmusik drehen, der romantische Teich des Skulpturengartens der National Gallery of Art oder der Wharf Ice Skating Rink, wo sich seit der Restaurierung der Docks Konzertsäle und Clubs angesiedelt haben. The place to be ist aber unbestritten The Top of the Skate, eine Bar auf dem Dach des Watergate Hotels, das sich in ein nächtliches Mini-Eisfeld verwandelt. Auf der Terrasse ein Stockwerk weiter unten vermietet die Whisky Bar beheizte Iglus.
Gegen eine gute Dosis Enthusiasmus kann auch die winterliche Kälte nichts ausrichten. Kajakfahren oder Stand-up-Paddlen auf dem Potomac River und danach eine Yogastunde? Why not? Joggen oder Velofahren vom Kapitol zum Lincoln Memorial, das heisst die gesamte Mall entlang? A feel-good idea. Noch origineller: eine Akrobatikstunde in der Trapeze School oder, etwas weniger anstrengend, aber lauter, ein Plane-Spotting-Picknick im Gravelly Point Park, der in der Flugschneise des Ronald-Reagan-Flughafens liegt.
Vergessen Sie bei all dem nicht, dem Weissen Haus einen Besuch abzustatten. Aber das können Sie sich ja denken.

Von Genf direkt nach Washington
Ein langes Wochenende in Aussicht? Eine Woche Ferien? Warum die Zeit nicht nutzen, um diesen Winter etwas (kühle) Washingtoner Luft zu schnuppern? United fliegt täglich von Genf nach Washington, Abflug kurz vor Mittag, Ankunft Mitte Nachmittag. Zurück geht es abends, gelandet wird früh morgens in Zürich. Ideal, um keine Zeit zu verlieren! Wenn Sie mehr von Amerika entdecken möchten: Swiss und Air Canada bieten tägliche Direktflüge von Zürich und Genf nach New York und Montreal an, United von Genf.

www.gva.chwww.united.com

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